In unserer Wahrnehmung ist aktuell ein zunehmend starker Fokus auf das Thema Fachkräftemangel gerichtet, auch wenn die Tatsache an sich nicht neu ist. Im August lautete der Titel einer Pressemitteilung des ifo-Instituts „Fachkräftemangel steigt auf Allzeithoch“. Die Weiterbildungsstudie der Bitkom-Akademie 2022 zeigt auf, dass der Fachkräftemangel als größte Herausforderung für Unternehmen angesehen wird. Er wird damit sogar noch vor der Corona-Pandemie und dem Digitalisierungsdruck genannt.
Umso erstaunlicher ist vor diesem Hintergrund die Erkenntnis aus der Studie „Industriereport Fachkräftemangel 2022“, dass die Fähigkeiten der eigenen Beschäftigten in Unternehmen diesen offenbar gar nicht bewusst sind. Wie passen diese Erkenntnisse zusammen?
Potenzialanalyse und Investition in eigene Mitarbeitende
Angesichts des Arbeitskräftemangels investieren Unternehmen große Summen in die Rekrutierung neuer Mitarbeiter:innen, sei es, um Fach- und Führungskräfte zu ersetzen, die in den Ruhestand gehen, die Fluktuation auszugleichen oder um neu entstehende Rollen und Vakanzen aufgrund neuer Anforderungen besetzen zu können. Der vorherrschende Bewerbermarkt sorgt andererseits dafür, dass Bewerber:innen und Kandidat:innen häufig eine Auswahl verschiedener Jobangebote vorliegen haben, so dass es einen guten Grund geben muss, sich für einen bestimmten Arbeitgeber zu entscheiden. Ist dieser Grund nicht schon im Rekrutierungsprozess erkennbar, kommt es immer öfter zum „Ghosting“. Es ist demnach also von großer Bedeutung, potenzielle, zukünftige Mitarbeitende zu motivieren – sowohl für die Vakanz als auch für das Unternehmen. Und hier kommt die Potenzialanalyse ins Spiel.
Die Bitkom-Studie stellt heraus, dass Weiterbildung im Unternehmen für mehr als drei Viertel der Befragten nicht nur für die Wahl des Arbeitsgebers, sondern auch für die eigene persönliche Entwicklung als bedeutend angesehen wird. Gute Gründe also für Unternehmen, in die Personalentwicklung ihrer Beschäftigten zu investieren.
Fachkräftemangel beseitigen: Auf eigene Mitarbeitende zurückgreifen
Bezogen auf den Fachkräftemangel verdeutlicht dies auf der anderen Seite aber auch, dass es für Unternehmen zukünftig immer wichtiger wird, auf die eigenen Mitarbeitenden bei der Besetzung von Vakanzen zurückzugreifen. Unsere Erfahrung zeigt, dass dieser Schritt häufig erst dann in Erwägung gezogen wird, wenn bereits viel Zeit mit der (erfolglosen) Rekrutierung neuer externer Kolleg:innen vergangen ist. Wenn nicht ausdrücklich „frischer Wind“ durch eine externe Besetzung das Rekrutierungsziel oder das Nichtvorhandensein der benötigten Fähigkeiten im Unternehmen bekannt sind, spricht vieles dafür, als erstes im Unternehmen selbst nach den passenden Talenten zu suchen.
Dieser Weg kann Zeit und Kosten einsparen, das Risiko von Fehlbesetzungen reduzieren, die Onboarding-Zeit in der neuen Aufgabe verkürzen und darüber hinaus Mitarbeitende motivieren, da auf diesem Weg Perspektiven zur Weiterentwicklung aufgezeigt werden. Das wiederum kann zur Folge haben, dass die Bindung ans Unternehmen wächst und damit auch die Fluktuation geringer wird. Außerdem zahlen Personalentwicklungsmaßnahmen positiv auf das Employer Branding und die Attraktivität des Unternehmens als Arbeitgeber ein.
Kompetenzen erkennen: Potenzialanalysen mit multimodalem Ansatz
Um den Weg der internen Besetzung allerdings erfolgreich beschreiten zu können, ist es wichtig, dass die vorhandenen Kompetenzen und Motivationen der eigenen Beschäftigten überhaupt bekannt sind und schon im Vorfeld strukturiert gemessen und erfasst werden. Dies kann mittels strukturierter und valider Potenzialanalysen, denen ein multimodaler Ansatz zugrunde liegt, geschehen.
Häufig werden mittels solcher Verfahren versteckte Talente für neue Rollen sichtbar, die dem Arbeitgeber noch gar nicht aufgefallen sind. Unternehmen, die bereits eine strukturierte Nachfolgeplanung auf der Grundlage von Potenzialanalysen entwickelt und implementiert haben, sind hier im Vorteil. Sie können im Bedarfsfall schnell auf vorhandene Daten zugreifen und haben eine Entscheidungsgrundlage dafür, ob eine interne Besetzung wahrscheinlich ist oder doch extern rekrutiert werden muss. Aufgrund der sich permanent verändernden Aufgaben und Rahmenbedingungen im Unternehmen ist es allerdings notwendig, bezüglich der internen Potenziale am Ball zu bleiben und Personalentwicklungsmaßnahmen stets in Hinblick auf die zukünftigen Anforderungen und dafür notwendigen Kompetenzen auszurichten. „Future Skills“ sind hier das Stichwort und werden Inhalt eines unserer nächsten Beiträge sein.