Remote Arbeiten: Schöne neue Welt?

Drei Jahre nach Ausbruch der Corona-Pandemie hat sich die Arbeitswelt grundlegend verändert. Für viele ist das Home Office oder Remote Arbeiten nicht mehr wegzudenken. Eine Studie der Europäischen Zentralbank ergab jüngst, dass 30 Prozent der Arbeitnehmer verstärkt von zuhause arbeiten wollen als es ihnen bisher ermöglicht wird. Wird ihnen das nicht erlaubt, führt das zu größerer Unzufriedenheit und ist ein Grund mehr, den Job zu wechseln.

Erste Dax-Konzerne reduzieren nach einem Bericht des Handelsblatts bereits ihre Büroflächen oder planen, dies zu tun. Nur mittelständische Unternehmen mit weniger als 1000 Beschäftigten wollen das nicht. „Die großen Player haben Modelle wie Shared Desk längst umgesetzt“, sagt René C. Bernhardt, Senior Consultant bei InterSearch Executive Consultants in Hamburg. „Ihnen ist klar, dass nie alle Mitarbeitenden gleichzeitig im Büro sind“. Einen „eigenen“ Schreibtisch hat dann so gut wie niemand mehr, wer ins Büro kommt, sucht sich einen Platz.

Remote Work anzubieten, spare Zeit und Benzinkosten für die Angestellten, Heizkosten und Strom für die Unternehmen. Auch auf die CO2-Bilanz wirke es sich positiv aus, wenn die Mitarbeitenden von zuhause arbeiten und weniger emittieren oder Geschäftsreisen weniger häufig stattfinden. Für die „Großen“ ist das jedoch nicht nur ein Sparprogramm, sondern auch ein Abbild der neuen Realität.

Flexibilität für Remote Arbeiten Pflicht

„Bei der Direktansprache von Kandidat:innen stellen wir fest, dass viele sich mit dem Remote Arbeiten angefreundet haben und das auch bei einem möglichen Wechsel stärker als zuvor in Betracht ziehen“, erklärt Bernhardt. Das heißt, sie machen die Möglichkeit, von zuhause aus zu arbeiten oft zur Bedingung im neuen Job, dies schließt auch Hybride Modelle mit ein. Oder sie möchten jetzt noch lieber als zuvor bei ihrem aktuellen Arbeitgeber bleiben, der ihnen bereits diese Möglichkeit bietet und einen Umzug obsolet werden lässt. „Das hat sicherlich auch bei dem ein oder anderen Kandidaten, der sich vor einiger Zeit noch offen gezeigt hat, dazu geführt, dass er eher zurückhaltend, wenn nicht gar ablehnend ist“, sagt der Senior Executive Search Consultant.

„Eine gewisse Flexibilität seitens des Arbeitgebers ist heutzutage Pflicht“, bestätigt Alexander Wilhelm, Managing Partner bei InterSearch Executive Consultants in Frankfurt. Das Mindeste sei – da wo es möglich ist – eine Aufteilung zwischen Präsenz- und Remote-Arbeit. Spreche man mit Unternehmen jeglicher Größe, so scheine sich derzeit die Variante zwei Tage Home Office und drei Tage im Unternehmen als hybrides Modell zu etablieren. „Wichtig ist hierbei aber auch, dass die Mitarbeiter:innen die Home Office Zeit nicht für zu viele private Termine ausnutzen, sonst verliert der Arbeitgeber schnell das Vertrauen“, gibt Wilhelm zu Bedenken. Transparenz und Vertrauen seien auf beiden Seiten Pflicht.

„Remote Work ist eine Chance, die besten Köpfe zu sich zu holen, die nicht kämen, müssten sie standortbezogen arbeiten“, so Wilhelm. Manch ein mittelständisches Unternehmen bestehe allerdings nach wie vor auf einen Umzug, hier müsse umgedacht werden. Gerade der Mittelstand müsse sich öffnen, um Fachkräfte auch an Standorte in abgelegenere Regionen zu locken und sie langfristig zu binden.

Schwindet die Loyalität?

Andererseits könnte potenziell die Gefahr bestehen, dass die Loyalität zum Unternehmen nachlässt je weniger man vor Ort sei, ein zusätzliches Risiko für den Arbeitgeber. Eine Umfrage im Auftrag des Personalsoftwareanbieters Personio ergab im vergangenen Jahr, dass unter den Mitarbeitenden, die ausschließlich von zuhause gearbeitet hatten, 53 Prozent den Plan fassten, das Unternehmen zu verlassen. Unter denjenigen, die ab und an ins Büro kamen, waren es 47 Prozent.

„So kann es sein, dass nach zwei Jahren die Stelle neu besetzt werden muss, es entstehen höhere Kosten, Know-How geht verloren“, schildert Wilhelm. Eine langfristige Beobachtung des Arbeitsmarkts werde zeigen, ob und inwiefern sich die Loyalität zum Arbeitgeber mit zunehmendem Home Office ändere. Noch sei das Phänomen zumindest in Deutschland zu jung und die Folgen schwer abschätzbar.

Vier-Tage-Woche als Option

Natürlich kann und will nicht jeder zuhause arbeiten, sei es aus familiären Gründen, sei es aus Platzmangel oder weil man sich gerne mit den Kollegen austauschen will. Andererseits führen gerade Modelle wie shared desk, bei denen man sich jeden Tag einen neuen Arbeitsplatz sucht, unter anderem dazu, dass an einigen Tagen unvorhergesehen viele Mitarbeitende sich zusammenfinden und ein insbesondere in Großraumbüros wahrnehmbarer Geräuschpegel das Arbeiten beeinträchtigen kann.

„Es wird in Zukunft wichtig für Arbeitgeber sein, darauf zu achten, dass kein Neid auf diejenigen entsteht, die von überall aus arbeiten können“, sagt Wilhelm. Ein Werksleiter beispielsweise müsse vor Ort sein, um auch in Notfällen eingreifen zu können. Denkbar sei als Ausgleich etwa eine zunehmende Automatisierung auch dank künstlicher Intelligenz und Incentives für diejenigen etwa in der Produktion, die nicht remote arbeiten können. Eine andere Option wäre, die Vier-Tage-Woche einzuführen. Ein Pilotprojekt unter 61 mittelständischen Unternehmen in Großbritannien zeigte zuletzt ein positives Ergebnis: Die Mitarbeiter seien zufrieden und weniger gestresst gewesen. Auch in Deutschland experimentieren erste Firmen mit einer Vier-Tage-Woche.

Fest steht: Die Life-Work-Balance nimmt neben dem Leistungsdenken für die jüngere Generationen an Bedeutung zu, was häufigeres Arbeiten von Zuhause als wünschenswert erscheinen lässt. Das erfordert ein Umdenken sowohl beim Arbeitgebenden als auch Arbeitnehmenden. „Wer hier nicht mitzieht, findet langfristig keine Fach- und Führungskräfte mehr“, sagt Wilhelm. „Und als Personaler wird man künftig die richtigen Antennen brauchen, um genau solche Trends aufzuspüren und umzusetzen“, ergänzt Bernhardt.

Über InterSearch Executive Consultants

InterSearch Executive Consultants ist eine der führenden Personalberatungen und spezialisiert auf die Rekrutierung von Führungskräften (Executive Search) und systematische Analysen des Führungskräftepotenzials (Management Audit / Executive Diagnostic). Die 1985 unter dem Namen „MR Personalberatung“ gegründete Gesellschaft ist heute in Deutschland mit drei Standorten in Hamburg, Frankfurt und Köln vertreten und war 1989 Gründungspartner der InterSearch Worldwide. InterSearch agiert heute weltweit im Bereich Executive Search mit über 600 Beratern in über 50 Ländern mit mehr als 90 Standorten.

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