Raj Tulsiani ist CEO und Mitbegründer von Green Park , eine der führenden Personalberatungen in England und seit 2020 Teil des InterSearch-Netzwerks. Raj ist eine führende Persönlichkeit in Großbritannien in den Bereichen Executive Search, Personalplanung und Diversifizierung. Er verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung in den Fachbereichen wie Führung, Personal und Vielfalt. Unser Kollege hat das Buch “Diversity and Inclusion for Leaders: Making a Difference with the Diversity Headhunter” geschrieben. Wir sprachen kürzlich mit ihm über die Bedeutung von Vielfalt und Inklusion in der heutigen Arbeitswelt.
Was bedeuten Vielfalt und Inklusion für Dich?
Verna Myers, Gründerin und Präsidentin der Verna Myers Consulting Group, hat es einmal so ausgedrückt: „Vielfalt bedeutet, dass man zu einer Party eingeladen wird, und Inklusion bedeutet, dass man zum Tanzen aufgefordert wird.“ Vielfalt ist eine Realität, während Inklusion eine Entscheidung ist. Es geht darum, Menschen einzubeziehen und zu begeistern, damit sie ihr volles Potenzial entfalten können, ohne auf institutionelle Hindernisse zu stoßen. Führungskräfte, die ihre eigene Kultur inklusiver gestalten, steigern letztendlich die Produktivität und Mitarbeiterbindung, indem sie ein Umfeld schaffen, das alle Menschen besser einbindet. Das ist der kosteneffizienteste Ansatz, um die Produktivitätslücke in Europa zu schließen.
Warum geht es mit der Vielfalt in den Leitungsgremien von Unternehmen in einigen Ländern nur so schleppend voran?
Meiner Meinung nach gibt es dafür drei Hauptgründe. Erstens herrscht vor allem in den europäischen Ländern immer noch die Annahme vor, dass mehr Vielfalt mit einem höheren Risiko verbunden ist. Diese Annahme wird vor allem von internen Personalverantwortlichen und manchen Personalberatern aufrechterhalten, die behaupten, dass es nicht genügend qualifizierte Kandidat:innen gibt. Statistisch gesehen gibt es jedoch genug qualifizierte Menschen. Die Herausforderung besteht darin, erstklassige, vielfältige Talente zu rekrutieren, anstatt sich immer wieder auf diejenigen zu verlassen, die mit häufig wechselnden Arbeitgebern und dem Headhunting-Prozess vertraut sind.
Der zweite Grund liegt meiner Meinung nach darin, dass diejenigen, die für die Auswahl von Bewerber:innen verantwortlich sind, oft selbst keine Vielfalt in ihrem Unternehmen haben, insbesondere auf der Führungsebene. Außerdem gibt es einen Bewerber:innen- bzw. Kandidaten:innenmarkt, bei dem die Menschen angesprochen werden möchten, aber die Ansätze nicht übereinstimmen. Die Denkweise, dass jedes Unternehmen eine bestimmte Art von dominanter Führungskultur braucht, ignoriert die Tatsache, dass es verschiedene Arten von Führungskräften gibt. Im Grunde versuchen wir, das gleiche Lied auf einem anderen Instrument zu spielen.
Welche Rolle spielen Personalberater, wenn es darum geht, Unternehmen diverser zu machen und inwieweit sind sie für den Mangel an Vielfalt verantwortlich?
Das ist keine Raketenwissenschaft. Erstens braucht man Vielfalt in seinem eigenen Unternehmen, also echte gelebte Erfahrung. Es ist nicht immer ratsam, dass ein älteres, männliches Designteam Kleidung für Frauen im Teenageralter entwirft. Wir sprechen hier über intelligente, erfahrene Personen, die jedoch an bestimmte Denkweisen gewöhnt sind und nun mit anderen Marktbedingungen und unterschiedlichen Bewerberprofilen konfrontiert sind.
Zum Beispiel könnte es einen Kandidaten oder eine Kandidatin geben, der oder die von Natur aus nicht den vielleicht üblichen Verhaltensmuster entspricht. Dennoch wird versucht, den gleichen Bewerbungsprozess anzuwenden. Es ist unrealistisch, mit dem gleichen Ansatz unterschiedliche Ergebnisse zu erwarten. Man kann sich nicht auf die gleiche Weise an diese Kandidat:innen herantasten wie an diejenigen, die bereits mit dem Headhunting-Prozess vertraut sind oder eine persönliche Verbindung haben.
Personalberater arbeiten oft nach einem bestimmten Honorarmodel. Wenn es länger dauert, einen Kandidaten oder eine Kandidatin zu finden und im Prozess zu halten, ist ihr Preis gleich, aber die Kosten können variieren bzw. weiter steigen. Im Grunde genommen soll die Personalberatung etwas tun, was nicht in ihrem finanziellen Interesse liegt und je nach Suchdauer ggf. nicht mehr profitabel erscheint. Der Consultant soll liefern, was man sich vorstellt, und darf nicht mehr beraten.
Wie hast Du es gemeinsam mit Deinem Team geschafft, den Maßstab für inklusive, faire und transparente Rekrutierungen zu setzen?
Wir sind nicht perfekt, aber wir haben mehr Frauen als Männer im Unternehmen, und wir haben einen Anteil von mindestens 30 Prozent ethnischer Minderheiten in den Vorständen. Seit 2006 lernen wir aus unseren Fehlern, veröffentlichen White Papers und verfolgen den Werdegang von Bewerber:innen. Vielfalt lässt sich nicht in nur sechs Wochen erreichen, obwohl ihre Bedeutung allgemein anerkannt ist. Man muss zeigen, dass der Weg, den Bewerber:innen mit einem Unternehmen gehen, anders ist. Es reicht nicht aus, nur eine symbolische Auswahl anzubieten.
Wie sieht eine faire Rekrutierung aus?
Sie sollte transparent sein, es sollte Rechenschaft darüber geben, wie Entscheidungen getroffen werden, und es sollte eine unabhängige Bewertungsmatrix vorhanden sein. Übrigens sollte keine dieser Maßnahmen ein Hindernis für ein Unternehmen oder Headhunter darstellen, wenn man sie wirklich umsetzen möchte.
Was hältst Du von Quoten?
In der Geschichte der Industrieländer wurde der gesellschaftliche Fortschritt oft durch staatliche Vorschriften vorangetrieben. Wenn eine Organisation oder ein Land Forschungsdaten wirklich vertraut, sollten sie erkennen, dass vielfältige Teams statistisch gesehen besser abschneiden als homogene Teams. Dieses starke Argument spricht für eine vielfältige Führung und rechtfertigt die Einführung von Quoten.
Problematisch wird es, wenn die Menschen glauben, dass es „keine Talente gibt“. Dieser Glaube führt dazu, dass Personen ernannt werden, die möglicherweise nicht vollständig vorbereitet sind, anstatt sich um Personen zu bemühen, die zu 100 Prozent bereit sind, aber vielleicht nicht sofort Begeisterung für die Mitarbeit in einem Unternehmen zeigen. Diese Situation ist besonders im Vereinigten Königreich verbreitet. Wenn echter Fortschritt gewünscht ist, sind Quoten und Vorschriften notwendig, auch wenn sie nicht sehr beliebt sind.
Wie kann man die Vielfalt in einem Unternehmen fördern? Was sind die Vorteile?
Ich bin der Meinung, dass man bei der Einstellung von Mitarbeitenden einen liberalen Ansatz verfolgen sollte. Wenn Unternehmen bei der Einstellung von Bewerber:innen ein möglichst breites Spektrum an Auswahlmöglichkeiten haben, können sie die für ihre Bedürfnisse beste Entscheidung treffen. Letztendlich wird immer die am besten geeignete Person die Stelle bekommen. Es ist nicht unsere Aufgabe, unsere Kund:innen zu überzeugen; ich werde niemanden belehren.
Wir müssen die Themen Vielfalt und Inklusion aus dem Bereich der Wohltätigkeit oder des reinen Altruismus herauslösen, auch wenn sie sicherlich Akte der menschlichen Güte umfassen können. In einem geschäftlichen Umfeld geht es in erster Linie um Ergebnisse, und die Förderung von Vielfalt und Integration bietet einen direkten Weg, um diese Ergebnisse effizient zu erreichen. Ich glaube, dass es viele Führungskräfte gibt, die Diversity und Inklusion für Zeitverschwendung bis hin zu Unfug halten. Und genau diese Gruppe muss durch ihr eigenes Interesse motiviert werden.
Eine vielfältige, bunte Belegschaft, entsprechendes Denken und passende Strukturen in den Unternehmen stehen nicht nur im Einklang mit den jeweiligen Zielen, sondern tragen auch zu mehr Effizienz und Effektivität bei geringeren Kosten bei. Ein inklusives Umfeld führt zu einem spürbaren Anstieg von Engagement und Produktivität.
Mit Blick auf die Zukunft, insbesondere mit neuen Generationen von Führungskräften, wird das „S“ in ESG (Environmental, Social, and Governance) zunehmend als die Nachhaltigkeit im Hinblick auf Menschen interpretiert. Die Kluft zwischen Vielfalt, Inklusion und ESG wird sich verringern und Budgets, Ressourcen und Fachwissen werden gemeinsam genutzt.