Müllteppiche aus Plastikabfällen in den Weltmeeren und Mikroteile in Nahrung und Umwelt haben den Werkstoff Kunststoff in Verruf gebracht – zu Unrecht, wie wir finden. Dieser Meinung sind wir nicht nur, weil einer der beiden Autoren selbst einige Jahre in dieser spannenden Branche tätig war.
Ein Leben ohne Kunststoff – eine wirkliche Alternative?
Der Werkstoff ist aus unserem täglichen Leben nicht mehr wegzudenken, aber wir müssen lernen, dass die Prozesskette von der Entstehung des Granulats, über die Herstellung der fertigen Produkte – welche z.B. im Spritzgussverfahren, im Rahmen der Extrusion, des Blasformens, des Rotationssintern usw. produziert werden – bis hin zum Recycling reibungs- und lückenlos funktioniert. In den kommenden Jahren wird den Ingenieuren der Branche einiges abverlangt: mehr Sortenreinheit, biologisch abbaubare Kunststoffe sowie dünnere Wandstärken bei höheren technischen Anforderungen. Und das möglichst 100% recyclebar. Aber auch der Endverbraucher wird mehr und mehr gefordert werden. Das bedeutet unter anderem, Kunststoffprodukte nicht achtlos wegzuwerfen, sie nur dann zu verwenden, wenn es unbedingt notwendig erscheint, und sie wiederholt zu benutzen.
Ebenso müssen die gesetzlichen Grundlagen teilweise überarbeitet und die Recyclingwirtschaft genauer kontrolliert werden. Wir sind uns sicher nahezu alle einig, dass die Abfälle nicht als Müllberge nach Thailand, China und Afrika exportiert werden sollen.
Steigende Herausforderungen für die Kunststoffindustrie
Die Kunststoffindustrie muss sich zukünftig neuen Herausforderungen stellen: Höhere Energiepreise, Nachhaltigkeit und Ressourceneffizienz, der eingeschränkte Zugang zu Rohstoffen, Preis und Margenrückgang erfordern mehr Produktivität und ein Umdenken.
Den Kunststoffen wird immer mehr abverlangt: Leichtbau, um am Ende damit Energie zu sparen, leitfähige Kunststoffe, teils komplexe Bauteile. Nehmen wir ein Beispiel zur aktuell expandierenden E-Mobility. Batterien im Elektroauto erzeugen bis zu 800 Volt Spannung. Der Strom verursacht Temperaturen bis zu 140 Grad. Das müssen die Kunststoffe aushalten, ohne sich zu verformen, ohne sich zu entzünden und ohne Kurzschlüsse zuzulassen. Sie müssen Wärme ableiten können. Darüber hinaus sind entscheidende Bauteile so einzufärben, dass für den Anwender und für die Mechaniker jede Gefahrenquelle im Motorraum auf Anhieb zu erkennen ist. Die Bauteile werden deshalb in leuchtendem Orange produziert.
Die Bauindustrie ist ein weiteres Beispiel in diesem Kontext. Setzen viele Kommunen im Abwasserbereich aus Kostengründen noch Betonrohre mit einer Lebenserwartung von 20-40 Jahren ein, so gibt es hier schon längst Alternativen aus Kunststoff, teils GFK (Glaserfaserverstärkte Kunststoffe), mit einer Lebenserwartung von 100-140 Jahren. Auch dies spart langfristig Kosten und Ressourcen.
Kunststoffe bekommen unter Hinzugabe von Zusatzstoffen und spezieller Bearbeitung besondere Eigenschaften, die oftmals in Kooperation mit dem Kunden erarbeitet werden. Dazu betreiben Unternehmen große Forschungsabteilungen. Die Entwicklungen kosten Geld und Zeit. Im Zuge der Digitalisierung soll künstliche Intelligenz die Prozesse unterstützen und effizienter gestalten.
Ein effizientes Abfallmanagement ist unabdingbar
Kunststoffe sind eine wichtige Ressource, die in den Kreislauf (Circular Economy) geführt und nicht als Abfall in die Umwelt gelangen darf. Um die Stoffströme dafür gezielt lenken und optimieren zu können, müssen die Materialströme sowie die Einträge in die Umwelt in ihrer Größenordnung bekannt sein. Die aktuellen Abfallmengen, die in die Umwelt gelangen, sind dramatisch und müssen ein Weckruf für die gesamte Wertschöpfungskette sein. Abfallmanagement in all seinen Varianten muss das gemeinsame Ziel von Wirtschaft und Politik sein.
Die aktuelle Marktentwicklung – international…
Im Zusammenspiel mit zunehmenden negativen Tendenzen in der Weltwirtschaft – zu nennen sind hier unter anderem immer noch der Brexit und die US-amerikanische / chinesische Handelspolitik – ergibt sich dennoch ein positives Bild für Wachstum und Beschäftigung in der deutschsprachigen Kunststoffindustrie. Die Branche bietet Zukunftschancen. Statt weniger werden wir tendenziell in Zukunft deutlich mehr Kunststoff verbrauchen. Wachstumsmärkte in Afrika, Asien und Südamerika gewinnen zunehmend an Bedeutung, zudem erschließen sich Kunststoffe überall auf der Welt weiter neue Einsatzfelder.
… und national
Bezogen auf den Markt in Deutschland wird die Sicht jedoch eingetrübt durch den weiterhin bestehenden Fachkräfte- bzw. Personalmangel in der Branche. Der Mangel an Ingenieuren ist in den Medien allgegenwärtig. In den kommenden Jahren wird die Knappheit noch dramatisch verschärft, dafür sorgt schon die demographische Entwicklung in Deutschland, aber auch die aktuelle, eingetrübte Branchenwahrnehmung der Bewerber. So heißt es, eine Antwort zu finden auf die Frage, die sich die Umworbenen stellen: „Warum soll ich gerade für dieses Unternehmen arbeiten?“.
Hierzulande ist die Branche meist mittelständisch geprägt. Hier wird es auch die Herausforderung sein, geeignete Nachfolger für die Unternehmen sowie für die 1. & 2. Führungsebene zu finden. Neben dem Executive Search / der Personalberatung werden auch Management Diagnostik / Management Audits im Rahmen einer strategischen Nachfolgeplanung eine neue Bedeutung dabei erlangen.
Eine Branche mit Potenzial
Die in Düsseldorf stattgefundene Weltleitmesse der Kunststoffindustrie endete am 23. Oktober 2019. Der GKV-Gesamtverband Kunststoffverarbeitende Industrie mit Sitz in Berlin zieht nach acht Messetagen eine positive Bilanz. Auch wenn die Bereiche Packaging und Automotive derzeit „schwächeln“, so wird es nach einer Konsolidierung weiter aufwärts gehen. Die lokalen und globalen Chancen überwiegen und wir sind gespannt, was diese spannende Branche in Zukunft noch für Innovationen präsentieren wird.