Berater:innen brauchen ein Gefühl für das Non-Verbale
Manchmal sind es ungeplante Wege, die zu den richtigen beruflichen Entscheidungen führen. Das weiß auch Micheál Coughlan, Managing Partner bei InterSearch Ireland und Mitglied des Vorstandes von InterSearch Worldwide. Er selbst hatte nie eine Karriere als Personalberater geplant. InterSearch wurde auf Ihn aufmerksam, als er sich auf eine Vakanz bei einem Kunden bewarb. „Mit der eigentlichen Stelle hat es nicht geklappt, aber der für mich zuständige Berater muss in mir einen guten Executive Search Consultant gesehen haben – mit den entsprechenden Fähigkeiten“, sagt Coughlan. Neben überzeugenden Kommunikations-Skills zählt dazu seiner Meinung nach vor allem ein feines Gespür für nonverbale Zeichen und Gesten. Um zu bewerten, ob ein:e Kandidat:in ein guter „Fit“ ist, reichen nicht bloß die harten Fakten. „Das sehe ich bei jungen Bewerber:innen in unserer Branche kritisch. Sie besitzen zwar häufig exzellente technische Skills, es fehlt ihnen jedoch an Softskills im Bereich der Kommunikation. Wir haben uns sehr an Video-Interviews und digitale Prozesse gewöhnt – leider geht dabei vieles verloren“, erklärt Coughlan. Nach seiner Erfahrung würden die wichtigsten Entscheidungen für oder gegen Kandidat:innen außerdem oft in der Kaffeepause oder den fünf Minuten vor dem Termin getroffen. Ob die Chemie wirklich stimmt, kann man also oft nur im persönlichen Gespräch feststellen.
Man muss die richtigen Fragen stellen
Laut Coughlan gehört Zuhören und die richtigen Fragen zu formulieren zu den unterschätztesten Fähigkeiten von Berater:innen. Bestimmte Fragen seien natürlich zurecht nicht zulässig. Wolle man jedoch etwas über die familiäre Situation von Kandidat:innen herausfinden, um abzuschätzen, ob der Job zu ihnen passt, käme es auf Feingefühl an. Coughlan erklärt: „Ist für einen Job ein Umzug möglich, kann ich beispielsweise Fragen stellen wie: ‚Wen würde Ihr Umzug denn noch betreffen?‘ um zu eruieren, ob eine Familie oder beispielsweise schulpflichtiger Kinder mitbedacht werden müssen.“
Die konkreten, substanziellen Fragen kämen laut Coughlan eigentlich erst bei den Top-2-Kandidat:innen auf. Am besten sei es daher, sie so zu stellen, dass damit Hindernisse identifiziert würden, die einer Zusagen von Kandidatenseite im Weg stünden. Ihnen das Gefühl zu geben, sie stünden auf dem Prüfstand, sei dagegen der falsche Weg. „Hindernisse kann man im Idealfall gemeinsam aus dem Weg räumen“, sagt Coughlan.
Informelle Gespräche gehören in Irland dazu
Um abzuschätzen, ob ein:e Bewerber:in gut ins Team passt, werden als Teil des Einstellungsprozesses in Irland häufig informellere Settings gewählt. „Manchmal trifft man sich zum Beispiel noch mal zu einem Abendessen, bei dem auch die Partner:innen anwesend sind. Da wird dann nicht nur über die Arbeit gesprochen und man lernt sich auf eine ganz andere Art kennen. Ein Mensch ist mehr als seine Karriere – oft hängt auch noch eine Familie mit dran. Man muss eine Person ganzheitlich verstehen“, so Coughlan. Auch in formelleren Gesprächen starte man meistens mit einem lockeren Plausch, bei man mit informellen Themen einsteigt, damit die Bewerber:innen sich wohl fühlen. Dies sei aber nicht überall die Norm, weiß Coughlan: „Ich war mit einer internationalen Kollegin im Ausland bei der Irischen Botschaft und sie war komplett schockiert über das informelle Gespräch in den ersten 15 Minuten, das aus ihrer Sicht unprofessionell war. Alle irischen Kolleg:innen fanden das Gespräch dagegen angenehm und nicht außergewöhnlich.“
Bessere Mitarbeiterbindung macht Kandidat:innen weniger wechselwillig
In Irland machen sich im Recruiting einige Trends bemerkbar – viele davon sind vom starken Kandidatenmarkt beeinflusst. Hinzu käme eine große Anzahl an Gegenangeboten. „Im Moment versuchen die Unternehmen, ihre Talente um jeden Preis zu halten und matchen oder überbieten Gehaltsangebote“, sagt Coughlan. Kandidat:innen seien insgesamt weniger offen für Gespräche, da viele Unternehmen ihre Mitarbeiterbindung sehr ernst nähmen. Vor allem die großen multinationalen (US-)Unternehmen seien dabei weit voraus. Ihnen stünden größere Ressourcen für die Identifizierung und Förderung von Talenten zur Verfügung.
Auch multinationale Konzerne holen sich Hilfe im Executive Search
Interessanterweise seien es aber gerade große multinationale Konzerne, die seit etwa einem Jahr vermehrt die Dienste von InterSearch in Anspruch nähmen. „Eigentlich betreiben diese Unternehmen ihre eigenen Recruiting-Programme. Aber sie sind schlicht überfordert mit der Menge an Vakanzen, die sie gleichzeitig besetzen müssen. Daher entscheiden sie sich bei den wirklich kritischen Suchen für externe Firmen – insbesondere, wenn sie Talente von Wettbewerbern abwerben wollen“, erklärt Coughlan. Sicherlich wird der Einfluss der Inflation und des Ukraine-Krieges auf bestimmte Branchen ein deutlicher Dämpfer für den Wachstumskurs werden – manche spüren ihn bereits. Coughlan meint: „Das wird definitiv auch die Personalsituation beeinflussen. Aktuell ist die Nachfrage in Irland jedoch noch höher als das Angebot.”
Personalberater:innen tragen zum Leben der Kandidat:innen bei
„Die wahre Belohnung für Berater:innen ist die Bestätigung, einen kleinen Teil zum Leben und der Karriere einer Person beigetragen zu haben“, erzählt Coughlan. Er selbst erlebte dies vor einigen Jahren bei der Suche nach einem:r Betriebsleiter:in für einen irischen Hersteller von landwirtschaftlichen Maschinen. Sie fanden einen geeigneten Kandidaten: ein Ire, der sich gerade im mittleren Osten befand. Zufälligerweise war er bereits sehr vertraut mit dem Kunden, denn er hatte als Kind auf der Farm seines Vaters genau diese Maschinen genutzt und repariert. „Dieser Kandidat passte perfekt in die Rolle. Er war nicht nur qualifiziert, sondern brachte die nötige Leidenschaft für das Produkt gleich mit. Er zog dann mit der gesamten Familie zurück nach Irland – es passte wirklich alles perfekt.“
Irland in Zahlen
BIP: 498,9 Mrd. USD
Wirtschaftswachstum: 13,5 % im Vergleich zum Vorjahr
Pro-Kopf-Jahreseinkommen: ca. 99.013 USD
Inflationsrate: + 2,4 % im Vergleich zum Vorjahr
Arbeitslosenquote: 6,3 %
Beschäftigte im Dienstleistungssektor: ca. 77 %
Quelle: Statista 2021
Micheál Coughlan
Micheál Coughlan ist seit seinem Einstieg als Junior Consultant 1996 bei InterSearch Ireland ein unabdingbarer Teil des internationalen InterSearch Netzwerks. Seit 2017 ist er Mitglied des Boards und wurde zuletzt 2020 bestätigt. Er ist vor allem in den Branchen Life Sciences und Fertigende Betriebe tätig.